Eine Spurensuche nach vergangener Präsenz des Islams und von Muslimen*innen in Deutschland stellt uns vor verschiedene Fragen:
• Gibt es einen klaren Anfangspunkt und wenn ja, wann und womit beginnt diese Geschichte?
• Was sind wesentliche Komponenten einer deutsch-muslimischen Geschichtserzählung?
• Welche Relevanz hat die jeweilige Geschichtserzählung für die Gegenwart?
Dieses Kapitel präsentiert keine umfassende Geschichte des Islams in Deutschland. Stattdessen wirft es über verschiedene Fotografien von Gemälden, Artefakten und Personen aus der Neuzeit sowie mit Audioaufnahmen zu Persönlichkeiten oder von Expert*innen Schlaglichter auf wesentliche Momente einer, bis in die Frühzeit des Mittelalters reichenden, vielförmigen deutsch-muslimischen Vergangenheit.
Auf diplomatischer Ebene hat es bereits früh wichtige Stationen der friedlichen Einigung und gegenseitigen Würdigung zwischen christlichen deutschen Herrschern und muslimisch geprägten Osmanen, Tataren oder Arabern gegeben.
Mittlerweile gibt es eine Reihe geschichtlicher Hinweise aus dem 8. und frühen 9. Jahrhundert von verschiedenen diplomatischen Kontakten Karl des Großen mit Muslim*innen. Gleichzeitig war er auch an kriegerischen Auseinandersetzungen um die Reconquista in Spanien beteiligt. Dieses Gemälde des Malers Julius Köckert (1864) zeigt den Empfang der Gesandtschaft Karls des Großen durch den abbasidischen Herrscher Hārūn ar-Rašīd im Jahr 786 n. Chr.
01
Diplomatische Kontakte gab es zwischen Preußen und den Herrschern der Krimtataren, den sogenannten Krimtataren-Khanen, aus dem südlichen Gebiet der heutigen Ukraine im 16. und 17. Jahrhundert. Als exemplarisch gilt das Schreiben „Tartarischer Creditif “ zwischen Kurfürst Friedrich Wilhelm I. von Brandenburg und Khan Murad Girāy aus dem Jahr 1682. Es ist Teil einer Akte zur Abfertigung eines tatarischen Gesandten bei seiner Durchreise nach Dänemark.
02
Im Museum für Islamische Kunst in Berlin befindet sich diese Fassade des Haupttores des Palastes Qasr al-Mshatta, heutiges Jordanien, die wahrscheinlich unter ummayadischer Herrschaft im 8. Jahrhundert entstanden ist. Die Fassade wurde vom osmanischen Sultan Abdülhamid II. 1903 zum Abbau an Kaiser Wilhelm II. verschenkt. Sie zeugt von einem Akt freundschaftlicher Geste in den diplomatischen Beziehungen des 19., frühen 20. Jahrhunderts zwischen Deutschland und dem Osmanischen Reich.
03
Amtsbesuch von Kaiser Wilhelm II. in Konstantinopel (heute Istanbul) bei dem damaligen Herrscher des osmanischen Reiches, Sultan Mehmet V., im Jahr 1917.
04
Das sogenannte „Heilige Land“ war unter muslimischer Herrschaft, während der Kreuzzüge und auch danach ein Ort, den europäische und deutsche Reisende recht häufig besuchten. In ihren Reiseführern und Reiseberichten gaben sie ihrer Leserschaft einen Einblick in die dortigen Verhältnisse. Auch andere islamisch geprägte Regionen wurden bereist, so dass über Reiseberichte Einblicke in muslimisch geprägte Kulturen aus damaliger deutscher Perspektive gewonnen und darüber Begegnungen zwischen deutschen Reisenden und Muslim*innen rekonstruiert werden können. Neben den kurzzeitigen Reiseaufenthalten hat es in Mittelalter und Neuzeit auch dauerhafte Aufenthalte von Muslim*innen auf deutschem Boden gegeben, aber auch von Deutschen in muslimisch geprägten Gebieten.
Titelblatt der „Reiseberichte aus Persien“ von Adam Olearius. Seine Reisebeschreibung aus dem Persien des 17. Jahrhunderts ist ein Beispiel für die damalige Reiseliteratur. Sein Reisebericht erschien in Deutschland im Jahre 1647 und beinhaltet Schilderungen einer deutschen Persien-Expedition und damit Einblicke in die schiitisch geprägte persische Kultur.
05
Im Jahr 1850, kurz nach der Erfindung der Fotografie, wurde dieses Bild im Iran aufgenommen. Nicht von einem der zahlreichen europäischen Ethnologen, die mit ihren Kameras um die Welt zogen, sondern von Abdullah Mirza Quajar, einem jungen iranischen Fotografen. Es heißt, der Fotografie begeisterte damalige Shah Naser al-Din Shah Qajar habe den jungen Fotografen nach Frankreich, Deutschland und Österreich geschickt, damit dieser die noch junge Technologie erlernen konnte.
06
Der in Berlin gebürtige Ludwig Karl Friedrich Detroit desertierte, laut Erzählungen, von einem Schiff in Istanbul, auf dem er als Schiffsjunge in Diensten stand. Dort konvertierte er zum Islam, lernte die osmanische Sprache und wurde später nach einer Karriere in der osmanischen Armee zum Großwesir. Er gab sich den Namen Mehmed Ali Pascha (1827 — 1878).
07
Mit zunehmenden Reiseberichten, Kontakten und diplomatischen Beziehungen ist das Interesse in Deutschland für verschiedene islamisch geprägte Länder gestiegen, besonders seit dem 17. Jahrhundert. Erkennbar wird dies etwa über die anwachsende Thematisierung des „Orients“, meist in phantasievoller Überzeichnung dessen, wie muslimische Bevölkerungen und ihre Kulturen nach damaligen europäischen Vorstellungen seien. Unter anderem wurden dabei islambezogene Elemente in die damalige Literatur, wie auch in verschiedene künstlerische Gemälde, in Artefakte oder in die Architektur eingearbeitet. Nicht immer ist das religiöse Moment darin erkennbar. Häufig reflektieren die Darstellungen nicht die damalige Realität orientalischen Lebens, sondern vielmehr die eigenen Vorstellungen ihrer europäischen Urheber.
Bischofs-Kasel, liturgisches Gewand, aus dem 14. Jh. n. Chr., bestehend aus gestreifter ägyptischer Seide, die weiterverarbeitet und bestickt wurde. Auf dem originalen Stoff ist eine eingestickte arabische Kalligrafie in kufischer Schrift „Ruhm unseren Herrn, dem Sultan“ mit christlichen Symbolen überstickt worden. Ob die Träger der Kasel je über die Bedeutung der Kalligrafien aufgeklärt wurden, ist nicht überliefert.
12
Ferdinand II., Kaiser des Heiligen Römischen Reichs, ließ Ritterspiele abhalten, bei denen sich die gegnerische Reiterschaft als osmanische Soldaten verkleideten, etwa mit einer Gesichtsmaske, wie dieser, aus dem Jahre 1557.
13
Ende des 18. Jahrhunderts errichtete Nicolas de Pigage dieses Kunstgebäude im Garten des Schlosses Schwetzingen in Baden-Württemberg in Anlehnung an orientalische Moscheebauten mit Minaretten. Es diente nicht zu religiösen Zwecken, sondern galt als Symbol der Toleranz gegenüber dem Islam.
14
Der „West-östliche Divan“ (erschienen 1819, erweitert 1827) ist die umfangreichste Gedichtsammlung von Johann Wolfgang von Goethe. Sie wurde durch die Werke des persischen Dichters Hafis inspiriert.
15
VIDEO
Ahmet Aydın — über Goethe, den Islam und die Kraft der Lyrik
Auf dem Gelände des Brandenburger Schlosses Dammsmühle wurde 1894 auf einer künstlichen Insel im Schlossteich eine Moschee als künstlerischer Bau errichtet, in dessen Inneren sich ein großer Tanzsaal befand.
16
Der damalige Schausteller Otto Witte (1872 — 1958) zog auf Jahrmärkten die Aufmerksamkeit der Zuschauer mit Erzählungen auf sich, er sei aufgrund einer Ähnlichkeit zu Halim ed-Din, dem ein Neffen eines osmanischen Sultans, in Albanien zum König ernannt worden. Viele Zeitungen übernahmen seine Aussagen damals ungeprüft in ihren Meldungen. Das Foto ist um das Jahr 1920 entstanden
17
Im Laufe der Geschichte waren Muslime häufig Teil (unterschiedlicher) deutscher Kampfverbände und zogen dabei Seite an Seite mit deutschen Soldaten in den Krieg. Im deutschen Kaiserreich des 19. Jahrhunderts intensivierte sich der Bezug zu Muslim*innen und erhielt eine wirtschaftliche, aber auch kulturelle Dimension, unter anderem durch die von Deutschland kolonialisierten Länder Afrikas.
Darüber hinaus schmiedete der letzte deutsche Kaiser Wilhelm II. mit seinen Beratern Pläne, die den Islam für die eigenen politischen und militärischen Zwecke instrumentalisieren sollte. Damit wollte das Kaiserreich muslimische Verbündete im Kampf gegen seine damaligen Gegner, wie Großbritannien oder Frankreich, gewinnen. Damit gelang es Deutschland, muslimische Alliierte und Mitkämpfer für seine Kriege zu gewinnen. Im 1. Weltkrieg (1914 — 1918) steht das Osmanische Reich an der Seite der Mittelmächte (Deutsches Reich und Österreich-Ungarn) und war somit Verbündeter der Deutschen.
In der preußischen Geschichte finden sich zahlreiche Belege für geistig-kulturelle diplomatische wie auch militärische Kontakte mit muslimischen Krimtatar*innen. Muslimische Soldat*innen waren Teil der Heere Preußens und Sachsens wie beispielsweise die Bosniak-Lanzenreiter ab 1745, eine muslimische Reitertruppe mit vermutlich tartarischer, albanischer und bosnischer Herkunft.
18
Als ab 1763 der erste Botschafter der Hohen Pforte, Sitz des Osmanischen Reiches, dauerhaft in Berlin residiert, bekommen die Beziehungen zu islamisch geprägten Ländern eine offizielle diplomatische Dimension. Als einer der nachfolgenden osmanischen Gesandten in Berlin 1798 verstirbt, erwirbt König Friedrich Wilhelm III. (1770 — 1840) ein auf der Tempelhofer Feldmark gelegenes Areal, welches später dem Osmanischen Reich als Begräbnisstätte zur Verfügung gestellt wird. Am Preußischen Königshof entsteht der erste Friedhof auf deutschem Boden, auf dem muslimische Verstorbene nach Sitte des islamischen Glaubens beigesetzt werden können. Dieser älteste Friedhof für Muslim*innen am Columbiadamm in Berlin geht demnach auf das Jahr 1866 mit der dauerhaften Übereignung durch Kaiser Wilhelm I. zurück
19
Max Freiherr von Oppenheim auf einem Foto aus dem Jahr 1917. Der Orientalist und Diplomat hatte schon unter der Herrschaft von Kaiser Wilhelm II., 1914, einen deutsch-osmanischen Plan sowie später den deutsch-arabischen Plan 1940 entworfen. Ziel war es, über Jihad-Propaganda Aufruhr in den britisch und französisch kontrollierten Kolonialgebieten zu schaffen, dessen Niederschlagung Truppen binden sollte, die sonst dem Kampf gegen Deutschland gedient hätten.
20
Zur Zeit des Nationalsozialismus in Deutschland sind Muslim*innen aus verschiedenen Ländern als Verbündete gewonnen und rekrutiert worden. So sieht man auf dem Foto muslimische SS-Soldaten aus dem Jahr um 1936. Gleichzeitig kämpften auf Seiten der Alliierten Muslime in den Reihen der Armeen der Sowjetunion, Englands und Frankreichs.
21
Unter nationalsozialistischer Herrschaft entwarf dann das Auswärtige Amt in den Jahren 1941/1942 eine umfassende Islampolitik. Die deutschen Truppen waren in muslimisch geprägte Gebiete in Nordafrika und auf dem Balkan bis zum Kaukasus einmarschiert. Die damalige Strategie zielte vor allem darauf ab, islamisch-religiöse Persönlichkeiten anzuwerben und weitere alliierte Truppen zu gewinnen. Dazu wurde versucht, religiöse Würdenträger wie Ḥāǧǧ-Amin al-Husseini (ca. 1897 - 1974), den späteren Großmufti von Jerusalem, zu Propaganda- und Kollaborationszwecken als Verbündete zu gewinnen und als Sprachrohr zu muslimischen Völkern zu nutzen. Das Foto zeigt ihn unter dem Brandenburger Tor bei seinem Besuch auf Einladung Adolf Hitlers (1941)
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Das nationalsozialistische Regime entwickelte vielfältige Bestrebungen, Menschen muslimischen Glaubens aus verschiedenen Ländern als Verbündete zu gewinnen und diese als Kämpfer für die deutschen Streitkräfte zu rekrutieren. Die dahinter stehende Grundannahme besagte, dass sich nationalsozialistische Ideologie und islamische Weltanschauung grundsätzlich ähneln und man so unter Muslim*innen brauchbare und belastbare Partner*innen im Kampf gegen gemeinsame Feinde finden könne. Auf einem Foto von 1943 sind Angehörige der SS-Freiwilligen bosnisch-herzegowinischen Gebirgsjäger-Division beim Gebet abgelichtet.
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Im Augsburger Dom wurde 1689 die „Türkenfahne“ als Beutestück ausgestellt. Die Fahne der osmanischen Armee zeigt die Schahada, also das muslimische Glaubensbekenntnis. Der damalige Markgraf Ludwig Wilhelm von Baden brachte sie von der Schlacht von Nissa gegen die Osmanen mit nach Augsburg. Das Original wurde 1992 gegen eine originalgetreue Kopie ersetzt.
24
Von 1918 bis 1930 fand die sogenannte Rheinlandbesetzung durch französische Soldaten statt, wie beispielswiese hier im Bild. Französisch-marokkanische Soldaten am „Deutschen Eck bei Koblenz“
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Von 1919 bis 1920 wurden kurzzeitig auch Gebiete rechts des Rheins besetzt, wie zum Beispiel im Bild aus dem Jahr 1920 zu sehen die Stadt Frankfurt: Nahaufnahme eines Trupps französisch-maghrebinischer Soldaten die vor einem Eingang zur Hauptwache campieren.
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Der russische Muslim Abdulkhakim Ismailov war einer der drei Soldaten, die die sowjetische Flagge am 2. Mai 1945 über dem Reichstag gehisst hatten. Die Aufnahme des jüdischen Fotografen Yevgeny Khaldei ging in die Geschichte ein und zählt zu den wichtigsten Fotografien des zweiten Weltkriegs.
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Schon von den Kreuzzügen im frühen Mittelalter sind Beutezüge überliefert, bei denen Muslime nach Deutschland verschleppt wurden. Spuren solcher Schicksale gibt es bis heute, wie beispielsweise die Gräber von Hammet und Hassan in Hannover. Beide arbeiteten im 17. Jahrhundert als Kammerdiener am Hofe der damaligen Kurfürstin Sophie. Anders als für muslimische Kriegsgefangene meist üblich, konvertierten sie nicht zum Christentum und wurden nach ihrem Tod 1691 nach islamischen Ritus bestattet.
34
In den Osmanen-Kriegen im 17. und 18. Jahrhundert wurden tausende muslimische und türkische Kinder ihren Eltern geraubt und nach Deutschland verschleppt. Eine der berühmtesten dieser sogenannten „Beutetürk*innen“ war Fatima, die auf den Namen Maria Aurora getauft wurde. Sie soll eine Liebschaft mit dem damaligen sächsischen König Friedrich August I. gehabt haben. Mit ihm bekam sie zwei Kinder. Um die Vaterschaft des Königs zu verschleiern, soll sie damals mit dessen Kammerdiener Johann Georg Spiegel verheiratet worden sein.
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Muslim*innen waren nicht nur Verbündete des deutschen NS-Regimes, sondern auch teilweise Opfer des Krieges, wie etwa der türkische Journalist Gün Nerin Emrullah. Er ist vermutlich wegen Spionage inhaftiert worden. Das Foto zeigt ihn nach seiner Befreiung durch die Truppen der Alliierten aus dem KZ Dachau im Jahr 1945.
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18 Überlebende der jugoslawisch-muslimischen Häftlinge kurz nach der Befreiung aus dem Konzentrationslager Dachau, fotografiert auf dem Lagergelände zwischen den Baracken im Mai 1945.
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Für die Zeit vor Beginn des 20. Jahrhunderts kann nur vereinzelt muslimisches Leben in Deutschland nachgewiesen werden. Die Zahl der Muslim*innen, die kriegsbedingt nach Deutschland kamen, stieg seit Beginn des 20. Jahrhunderts zunehmend an. In der Zwischenkriegszeit sorgte dann auch die Zuwanderung muslimischer Student*innen und Händler*innen dafür, das kleine islamische Gemeinden in Deutschland entstanden. Anhand von Einzelbiografien oder von Archivbeständen zu zeitweiligen, oft kriegsbedingten aber auch zu zivilen Aufenthalten muslimischer Studierender, Gefangener, Reisender, Diplomaten oder Heeresangehöriger lässt sich vielfältiges muslimisches Leben in Deutschland aus dieser Zeit nachzeichnen.
Muslime unterschiedlicher Herkunft gründeten überwiegend in Berlin zu Beginn des 20. Jahrhunderts Vereinigungen zur gemeinschaftlichen Ausübung islamischer Religion und zur Unterstützung von in Deutschland lebenden Muslim_innen. Auch wenn der größte Teil dieser islamischen Organisationen spätestens in Folge der späteren Teilung Deutschlands verschwindet, verweist diese Übersicht zu Vereinsgründungen auf Ausschnitte eines damals regen muslimischen Lebens in vielerlei Bereichen.
46
Porträts verschiedener Muslim/innen in Deutschland aus den 1920er und 1930er Jahren.
Abd-al-ʿAzīz Šāwīš, Shakib Arslan, Saffiah Irmah Gohl, Leopold Weiß alias Muhamad Assad, Fauzi al Quawuqi, Frau Föhlich, Muhammad Fared, Ali Bas Hamba (v. l. n. r.)
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1902
Marokkanische Artistentruppe im damals renommierten Hamburger Zirkus Busch
48
Türkische Jugendliche, die in Berlin 1917 im Rahmen eines deutsch-türkischen Austauschs eine Handwerkslehre antreten, im Rahmen eines deutsch-türkischen Austauschs.
49
Porträt des in Berlin lebenden damaligen Bestsellerautors Essad Bey, der ursprünglich Lev Nussimbaum hieß und 1921 vom Judentum zum Islam konvertierte. Er war unter anderem Journalist und hat für verschiedene Zeitungen Ende der 1920er-Jahre geschrieben.
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Der aus dem nordindischen Aligarh stammende muslimische Chemiker Khwaja Hamied im Chemielabor der Berliner Universität, gemeinsam mit einem Kollegen. Das Foto ist circa 1925 entstanden
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Bildnachweis
01 „Harun al-Raschid empfängt eine Delegation Karls des Großen“ Julius Köckert, Bildquelle: Wikimedia (Public Domain)
02 Reproduktion „Tartarischen Creditif“, Bildquelle: GStA PK, I. HA Rep. XI 271a, Tartarei, fasc. 7, Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz
03 Mschatta Fassade, Museum für Islamische Kunst, Foto: moinundsalam.de
04 Amtsbesuch Kaiser Wilhelm II in Konstantinopel, Foto: Fotograf unbekannt, Bundesarchiv
05 „Reiseberichte aus Persien“, Adam Olearius, Bildquelle: Wikimedia (Public Domain)
06 Gruppenbild, unbekannte Personen, Foto: Abdullah Mirza Quajar, Wikimedia (Public Domain)
07 Mehmed Ali Pascha, Foto: Fotograf unbekannt, The History Collection / Alamy Stock Photo
08 Muhammad Iqbal, Fotos: Fotograf unbekannt, Iqbal Academy Pakistan
09 Muhammad Iqbal, Fotos: Fotograf unbekannt, Iqbal Academy Pakistan
10 Gedenkstele für Muhammad Iqbal, Foto: moinundsalam.de
12 Bischofskasel, Burg Dankwarderode, Foto: moinundsalam.de
13 Visier, Kunsthistorisches Museum Wien, Foto: Helena Lea Manhartsberger für moinundsalam.de
14 Schlosspark Schwetzingen, Foto: Fotograf unbekannt, United Archives GmbH / Alamy Stock Foto
15 Diwan, Bildquelle: Goethe-Museum Düsseldorf, Anton-und-Katharina-Kippenberg-Stiftung. Aus dem Besitz Sulpiz Boisserées
16 Schwimmende Moschee, Foto: Willy Pragher, Bildquelle: Landesarchiv Baden-Wuerttemberg Staatsarchiv Freiburg
17 Otto Witte, Foto: Fotograf unbekannt, Nationaal Archief / Collectie Spaarnestad
18 Bosniak-Lanzenreiter, Bildquelle: Privatarchiv Dr. Stephan Theilig
19 Friedhof Columbiadamm, Foto: moinundsalam.de
20 Max Freiherr von Oppenheim, Foto: Wikimedia (Public Domain)
21 SS-Soldaten, Foto: Mielke, Bundesarchiv
22 Amin_al_Husseini, Foto: ullstein bild – Laux
23 SS-Soldaten, Gebet, Foto: Mielke, Bundesarchiv
24 „Türkenfahne“, Foto: moinundsalam.de
25 Deutsches Eck, Foto: bpk / Kunstbibliothek, SMB, Photothek Willy Römer / Willy Römer
26 Hauptwache Frankfurt, Foto: Institut für Stadtgeschichte Frankfurt
27 Reichstag, Foto: Yevgeny Khaldei, Wikimedia (Public Domain)
29 Halbmondlager, Frobenius Institut
30 Halbmondlager, Frobenius Institut
31 Halbmondlager, Frobenius Institut
32 Gefangenen-Porträts, Frobenius Institut
33 Halbmondlager, Frobenius Institut
34 Hammet & Hassan, Foto: Historisches Museum Hannover
35 Fatima, Wir bedanken uns für die freundliche Unterstützung durch das Zentrum für Islamische Theologie (ZIT) der WWU Münster
36 Nerin Gun, Foto: Archiv der KZ-Gedenkstätte Dachau, DaA F 2132, 02963
37 KZ Häftlinge: Foto: Archiv der KZ-Gedenkstätte Dachau, DaA F 4260, 40521
38 Sonntagsschule, Foto: Landesarchiv Berlin, D Rep. 920-16 (Fotos) Ahmadiyya Anjuman Lahore (AAL) Moschee Nr. 23-1 / Fotograf: k. A..
39 Aussenansicht Wilmersdorfer Moschee, Wir bedanken uns für die freundliche Unterstützung durch das Zentrum für Islamische Theologie (ZIT) der WWU Münster
40 Prinzen von Bophal, Foto: Landesarchiv Berlin, D Rep. 920-16 (Fotos) Ahmadiyya Anjuman Lahore (AAL) Moschee Nr. 23-1 / Fotograf: k. A..
41 Wilmersdorfer Moschee, Foto: moinundsalam.de
42 Dr. S. Muhammad Abdullah, Foto: Bundesarchiv
43 Deutsch-Muslimischen-Gesellschaft, Wir bedanken uns für die freundliche Unterstützung durch das Zentrum für Islamische Theologie (ZIT) der WWU Münster
44 Imam Abdullah und Freunde, Foto: Landesarchiv Berlin, D Rep. 920-16 (Fotos) Ahmadiyya Anjuman Lahore (AAL) Moschee Nr. 23-1 / Fotograf: k. A..
45 F. Hiqret Beyer und Fatima Ulbrich, Foto: Landesarchiv Berlin, D Rep. 920-16 (Fotos) Ahmadiyya Anjuman Lahore (AAL) Moschee Nr. 23-1 / Fotograf: k. A..
46 Vereine, Abbildung: moinundsalam.de
47 Porträts, Wir bedanken uns für die freundliche Unterstützung durch das Zentrum für Islamische Theologie (ZIT) der WWU Münster
48 Marokkanische Artistentruppe, Foto: Wikimedia (Public Domain)
49 Türkische Jugendliche, Wir bedanken uns für die freundliche Unterstützung durch das Zentrum für Islamische Theologie (ZIT) der WWU Münster
50 Essad Bey/Lev Nussimbaum Foto: Privatarchiv Dr. Gerdien Jonker
51 Khwaja Hamied mit Kollegen, Foto: Landesarchiv Berlin, D Rep. 920-16 (Fotos) Ahmadiyya Anjuman Lahore (AAL) Moschee Nr. 23-1 / Fotograf: k. A..
52 Gemälde, Schlacht um Wien, anonymer Maler, Bildquelle: Wikimedia (Public Domain)
53 Gemälde „Bataille de Poitiers“ von Charles de Streuben, Bildquelle: Painters / Alamy Stock Photo
54 Briefmarke, Al-Chwarizmi, Bildquelle: Juulijs/Fotolia
55 Auszug aus „Tacuinum sanitatis (in medicina)“, Bildquelle: Science History Images / Alamy Stock Photo
Danksagungen
Ohne die Forschung und die Bereitstellung von Zeitzeugnissen von Historiker*innen und Wissenschaftler*innen, insbesondere von Muhammad Salim Abdullah und Dr. Gerhard Höpp, wäre es nicht möglich gewesen, die Fotografien in diesem Kapitel zu präsentieren. Ein besonderer Dank gebührt daher der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster und dem Leibniz Zentrum Moderner Orient für die Öffnung der Bestände von Abdullah und Höpp. Dem Museum für Islamische Kunst Berlin, dem Landesmuseum Braunschweig und dem Kunsthistorischen Museum Wien möchte ich ebenso danken, da sie trotz der schwierigen Pandemie-Bedingungen das Fotografieren der Sammlungen ermöglicht haben. Vielen Dank auch an Wolf Ahmed Aries und Firouz Vladi für ihre Unterstützung bei der Suche nach historischen Spuren von „Beutetürk*innen“ in Hannover und an Prof. Dr. J.C. Bürgel für die Lyrik-Empfehlungen zu Muhammad Iqbal.
Dr. Heike Liebau ist dafür zu danken, dass sie ihre Expertise über das sogenannte Halbmondlager mit uns geteilt hat und an Dr. Gerdien Jonker richte ich einen besonderen Dank für ihre unermüdliche Unterstützung bei der Suche nach Fotografien, dem Zusammenstellen von Bildbeschreibungen, für das Interview und dem Bereitstellen ihrer persönlichen Fotografien. Danken möchte ich gerne auch dem Freundeskreis Islamische Kunst und Kultur e.V., Prof. Dr. Bekim Agai und Thorsten Schmidt für deren Unterstützung.
2021 © moinundsalam.de
Eine Spurensuche nach vergangener Präsenz des Islams und von Muslimen*innen in Deutschland stellt uns vor verschiedene Fragen:
• Gibt es einen klaren Anfangspunkt und wenn ja, wann und womit beginnt diese Geschichte?
• Was sind wesentliche Komponenten einer deutsch-muslimischen Geschichtserzählung?
• Welche Relevanz hat die jeweilige Geschichtserzählung für die Gegenwart?
Dieses Kapitel präsentiert keine umfassende Geschichte des Islams in Deutschland. Stattdessen wirft es über verschiedene Fotografien von Gemälden, Artefakten und Personen aus der Neuzeit sowie mit Audioaufnahmen zu Persönlichkeiten oder von Expert*innen Schlaglichter auf wesentliche Momente einer, bis in die Frühzeit des Mittelalters reichenden, vielförmigen deutsch-muslimischen Vergangenheit.
Auf diplomatischer Ebene hat es bereits früh wichtige Stationen der friedlichen Einigung und gegenseitigen Würdigung zwischen christlichen deutschen Herrschern und muslimisch geprägten Osmanen, Tataren oder Arabern gegeben.
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Mittlerweile gibt es eine Reihe geschichtlicher Hinweise aus dem 8. und frühen 9. Jahrhundert von verschiedenen diplomatischen Kontakten Karl des Großen mit Muslim*innen. Gleichzeitig war er auch an kriegerischen Auseinandersetzungen um die Reconquista in Spanien beteiligt. Dieses Gemälde des Malers Julius Köckert (1864) zeigt den Empfang der Gesandtschaft Karls des Großen durch den abbasidischen Herrscher Hārūn ar-Rašīd im Jahr 786 n. Chr.
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Diplomatische Kontakte gab es zwischen Preußen und den Herrschern der Krimtataren, den sogenannten Krimtataren-Khanen, aus dem südlichen Gebiet der heutigen Ukraine im 16. und 17. Jahrhundert. Als exemplarisch gilt das Schreiben „Tartarischer Creditif “ zwischen Kurfürst Friedrich Wilhelm I. von Brandenburg und Khan Murad Girāy aus dem Jahr 1682. Es ist Teil einer Akte zur Abfertigung eines tatarischen Gesandten bei seiner Durchreise nach Dänemark.
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Im Museum für Islamische Kunst in Berlin befindet sich diese Fassade des Haupttores des Palastes Qasr al-Mshatta, heutiges Jordanien, die wahrscheinlich unter ummayadischer Herrschaft im 8. Jahrhundert entstanden ist. Die Fassade wurde vom osmanischen Sultan Abdülhamid II. 1903 zum Abbau an Kaiser Wilhelm II. verschenkt. Sie zeugt von einem Akt freundschaftlicher Geste in den diplomatischen Beziehungen des 19., frühen 20. Jahrhunderts zwischen Deutschland und dem Osmanischen Reich.
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Amtsbesuch von Kaiser Wilhelm II. in Konstantinopel (heute Istanbul) bei dem damaligen Herrscher des osmanischen Reiches, Sultan Mehmet V., im Jahr 1917.
Das sogenannte „Heilige Land“ war unter muslimischer Herrschaft, während der Kreuzzüge und auch danach ein Ort, den europäische und deutsche Reisende recht häufig besuchten. In ihren Reiseführern und Reiseberichten gaben sie ihrer Leserschaft einen Einblick in die dortigen Verhältnisse. Auch andere islamisch geprägte Regionen wurden bereist, so dass über Reiseberichte Einblicke in muslimisch geprägte Kulturen aus damaliger deutscher Perspektive gewonnen und darüber Begegnungen zwischen deutschen Reisenden und Muslim*innen rekonstruiert werden können. Neben den kurzzeitigen Reiseaufenthalten hat es in Mittelalter und Neuzeit auch dauerhafte Aufenthalte von Muslim*innen auf deutschem Boden gegeben, aber auch von Deutschen in muslimisch geprägten Gebieten.
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Titelblatt der „Reiseberichte aus Persien“ von Adam Olearius. Seine Reisebeschreibung aus dem Persien des 17. Jahrhunderts ist ein Beispiel für die damalige Reiseliteratur. Sein Reisebericht erschien in Deutschland im Jahre 1647 und beinhaltet Schilderungen einer deutschen Persien-Expedition und damit Einblicke in die schiitisch geprägte persische Kultur.
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Im Jahr 1850, kurz nach der Erfindung der Fotografie, wurde dieses Bild im Iran aufgenommen. Nicht von einem der zahlreichen europäischen Ethnologen, die mit ihren Kameras um die Welt zogen, sondern von Abdullah Mirza Quajar, einem jungen iranischen Fotografen. Es heißt, der Fotografie begeisterte damalige Shah Naser al-Din Shah Qajar habe den jungen Fotografen nach Frankreich, Deutschland und Österreich geschickt, damit dieser die noch junge Technologie erlernen konnte.
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Der in Berlin gebürtige Ludwig Karl Friedrich Detroit desertierte, laut Erzählungen, von einem Schiff in Istanbul, auf dem er als Schiffsjunge in Diensten stand. Dort konvertierte er zum Islam, lernte die osmanische Sprache und wurde später nach einer Karriere in der osmanischen Armee zum Großwesir. Er gab sich den Namen Mehmed Ali Pascha (1827 — 1878).
Mit zunehmenden Reiseberichten, Kontakten und diplomatischen Beziehungen ist das Interesse in Deutschland für verschiedene islamisch geprägte Länder gestiegen, besonders seit dem 17. Jahrhundert. Erkennbar wird dies etwa über die anwachsende Thematisierung des „Orients“, meist in phantasievoller Überzeichnung dessen, wie muslimische Bevölkerungen und ihre Kulturen nach damaligen europäischen Vorstellungen seien. Unter anderem wurden dabei islambezogene Elemente in die damalige Literatur, wie auch in verschiedene künstlerische Gemälde, in Artefakte oder in die Architektur eingearbeitet. Nicht immer ist das religiöse Moment darin erkennbar. Häufig reflektieren die Darstellungen nicht die damalige Realität orientalischen Lebens, sondern vielmehr die eigenen Vorstellungen ihrer europäischen Urheber.
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Bischofs-Kasel, liturgisches Gewand, aus dem 14. Jh. n. Chr., bestehend aus gestreifter ägyptischer Seide, die weiterverarbeitet und bestickt wurde. Auf dem originalen Stoff ist eine eingestickte arabische Kalligrafie in kufischer Schrift „Ruhm unseren Herrn, dem Sultan“ mit christlichen Symbolen überstickt worden. Ob die Träger der Kasel je über die Bedeutung der Kalligrafien aufgeklärt wurden, ist nicht überliefert.
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Ferdinand II., Kaiser des Heiligen Römischen Reichs, ließ Ritterspiele abhalten, bei denen sich die gegnerische Reiterschaft als osmanische Soldaten verkleideten, etwa mit einer Gesichtsmaske, wie dieser, aus dem Jahre 1557.
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Ende des 18. Jahrhunderts errichtete Nicolas de Pigage dieses Kunstgebäude im Garten des Schlosses Schwetzingen in Baden-Württemberg in Anlehnung an orientalische Moscheebauten mit Minaretten. Es diente nicht zu religiösen Zwecken, sondern galt als Symbol der Toleranz gegenüber dem Islam.
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Der „West-östliche Divan“ (erschienen 1819, erweitert 1827) ist die umfangreichste Gedichtsammlung von Johann Wolfgang von Goethe. Sie wurde durch die Werke des persischen Dichters Hafis inspiriert.
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Ahmet Aydın — über Goethe, den Islam und die Kraft der Lyrik
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Auf dem Gelände des Brandenburger Schlosses Dammsmühle wurde 1894 auf einer künstlichen Insel im Schlossteich eine Moschee als künstlerischer Bau errichtet, in dessen Inneren sich ein großer Tanzsaal befand.
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Der damalige Schausteller Otto Witte (1872 — 1958) zog auf Jahrmärkten die Aufmerksamkeit der Zuschauer mit Erzählungen auf sich, er sei aufgrund einer Ähnlichkeit zu Halim ed-Din, dem ein Neffen eines osmanischen Sultans, in Albanien zum König ernannt worden. Viele Zeitungen übernahmen seine Aussagen damals ungeprüft in ihren Meldungen. Das Foto ist um das Jahr 1920 entstanden
Im Laufe der Geschichte waren Muslime häufig Teil (unterschiedlicher) deutscher Kampfverbände und zogen dabei Seite an Seite mit deutschen Soldaten in den Krieg. Im deutschen Kaiserreich des 19. Jahrhunderts intensivierte sich der Bezug zu Muslim*innen und erhielt eine wirtschaftliche, aber auch kulturelle Dimension, unter anderem durch die von Deutschland kolonialisierten Länder Afrikas.
Darüber hinaus schmiedete der letzte deutsche Kaiser Wilhelm II. mit seinen Beratern Pläne, die den Islam für die eigenen politischen und militärischen Zwecke instrumentalisieren sollte. Damit wollte das Kaiserreich muslimische Verbündete im Kampf gegen seine damaligen Gegner, wie Großbritannien oder Frankreich, gewinnen. Damit gelang es Deutschland, muslimische Alliierte und Mitkämpfer für seine Kriege zu gewinnen. Im 1. Weltkrieg (1914 — 1918) steht das Osmanische Reich an der Seite der Mittelmächte (Deutsches Reich und Österreich-Ungarn) und war somit Verbündeter der Deutschen.
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In der preußischen Geschichte finden sich zahlreiche Belege für geistig-kulturelle diplomatische wie auch militärische Kontakte mit muslimischen Krimtatar*innen. Muslimische Soldat*innen waren Teil der Heere Preußens und Sachsens wie beispielsweise die Bosniak-Lanzenreiter ab 1745, eine muslimische Reitertruppe mit vermutlich tartarischer, albanischer und bosnischer Herkunft.
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Als ab 1763 der erste Botschafter der Hohen Pforte, Sitz des Osmanischen Reiches, dauerhaft in Berlin residiert, bekommen die Beziehungen zu islamisch geprägten Ländern eine offizielle diplomatische Dimension. Als einer der nachfolgenden osmanischen Gesandten in Berlin 1798 verstirbt, erwirbt König Friedrich Wilhelm III. (1770 — 1840) ein auf der Tempelhofer Feldmark gelegenes Areal, welches später dem Osmanischen Reich als Begräbnisstätte zur Verfügung gestellt wird. Am Preußischen Königshof entsteht der erste Friedhof auf deutschem Boden, auf dem muslimische Verstorbene nach Sitte des islamischen Glaubens beigesetzt werden können. Dieser älteste Friedhof für Muslim*innen am Columbiadamm in Berlin geht demnach auf das Jahr 1866 mit der dauerhaften Übereignung durch Kaiser Wilhelm I. zurück
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Max Freiherr von Oppenheim auf einem Foto aus dem Jahr 1917. Der Orientalist und Diplomat hatte schon unter der Herrschaft von Kaiser Wilhelm II., 1914, einen deutsch-osmanischen Plan sowie später den deutsch-arabischen Plan 1940 entworfen. Ziel war es, über Jihad-Propaganda Aufruhr in den britisch und französisch kontrollierten Kolonialgebieten zu schaffen, dessen Niederschlagung Truppen binden sollte, die sonst dem Kampf gegen Deutschland gedient hätten.
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Zur Zeit des Nationalsozialismus in Deutschland sind Muslim*innen aus verschiedenen Ländern als Verbündete gewonnen und rekrutiert worden. So sieht man auf dem Foto muslimische SS-Soldaten aus dem Jahr um 1936. Gleichzeitig kämpften auf Seiten der Alliierten Muslime in den Reihen der Armeen der Sowjetunion, Englands und Frankreichs.
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Unter nationalsozialistischer Herrschaft entwarf dann das Auswärtige Amt in den Jahren 1941/1942 eine umfassende Islampolitik. Die deutschen Truppen waren in muslimisch geprägte Gebiete in Nordafrika und auf dem Balkan bis zum Kaukasus einmarschiert. Die damalige Strategie zielte vor allem darauf ab, islamisch-religiöse Persönlichkeiten anzuwerben und weitere alliierte Truppen zu gewinnen. Dazu wurde versucht, religiöse Würdenträger wie Ḥāǧǧ-Amin al-Husseini (ca. 1897 - 1974), den späteren Großmufti von Jerusalem, zu Propaganda- und Kollaborationszwecken als Verbündete zu gewinnen und als Sprachrohr zu muslimischen Völkern zu nutzen. Das Foto zeigt ihn unter dem Brandenburger Tor bei seinem Besuch auf Einladung Adolf Hitlers (1941)
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Das nationalsozialistische Regime entwickelte vielfältige Bestrebungen, Menschen muslimischen Glaubens aus verschiedenen Ländern als Verbündete zu gewinnen und diese als Kämpfer für die deutschen Streitkräfte zu rekrutieren. Die dahinter stehende Grundannahme besagte, dass sich nationalsozialistische Ideologie und islamische Weltanschauung grundsätzlich ähneln und man so unter Muslim*innen brauchbare und belastbare Partner*innen im Kampf gegen gemeinsame Feinde finden könne. Auf einem Foto von 1943 sind Angehörige der SS-Freiwilligen bosnisch-herzegowinischen Gebirgsjäger-Division beim Gebet abgelichtet.
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Im Augsburger Dom wurde 1689 die „Türkenfahne“ als Beutestück ausgestellt. Die Fahne der osmanischen Armee zeigt die Schahada, also das muslimische Glaubensbekenntnis. Der damalige Markgraf Ludwig Wilhelm von Baden brachte sie von der Schlacht von Nissa gegen die Osmanen mit nach Augsburg. Das Original wurde 1992 gegen eine originalgetreue Kopie ersetzt.
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Von 1918 bis 1930 fand die sogenannte Rheinlandbesetzung durch französische Soldaten statt, wie beispielswiese hier im Bild. Französisch-marokkanische Soldaten am „Deutschen Eck bei Koblenz“
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Von 1919 bis 1920 wurden kurzzeitig auch Gebiete rechts des Rheins besetzt, wie zum Beispiel im Bild aus dem Jahr 1920 zu sehen die Stadt Frankfurt: Nahaufnahme eines Trupps französisch-maghrebinischer Soldaten die vor einem Eingang zur Hauptwache campieren.
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Der russische Muslim Abdulkhakim Ismailov war einer der drei Soldaten, die die sowjetische Flagge am 2. Mai 1945 über dem Reichstag gehisst hatten. Die Aufnahme des jüdischen Fotografen Yevgeny Khaldei ging in die Geschichte ein und zählt zu den wichtigsten Fotografien des zweiten Weltkriegs.
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Schon von den Kreuzzügen im frühen Mittelalter sind Beutezüge überliefert, bei denen Muslime nach Deutschland verschleppt wurden. Spuren solcher Schicksale gibt es bis heute, wie beispielsweise die Gräber von Hammet und Hassan in Hannover. Beide arbeiteten im 17. Jahrhundert als Kammerdiener am Hofe der damaligen Kurfürstin Sophie. Anders als für muslimische Kriegsgefangene meist üblich, konvertierten sie nicht zum Christentum und wurden nach ihrem Tod 1691 nach islamischen Ritus bestattet.
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In den Osmanen-Kriegen im 17. und 18. Jahrhundert wurden tausende muslimische und türkische Kinder ihren Eltern geraubt und nach Deutschland verschleppt. Eine der berühmtesten dieser sogenannten „Beutetürk*innen“ war Fatima, die auf den Namen Maria Aurora getauft wurde. Sie soll eine Liebschaft mit dem damaligen sächsischen König Friedrich August I. gehabt haben. Mit ihm bekam sie zwei Kinder. Um die Vaterschaft des Königs zu verschleiern, soll sie damals mit dessen Kammerdiener Johann Georg Spiegel verheiratet worden sein.
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Muslim*innen waren nicht nur Verbündete des deutschen NS-Regimes, sondern auch teilweise Opfer des Krieges, wie etwa der türkische Journalist Gün Nerin Emrullah. Er ist vermutlich wegen Spionage inhaftiert worden. Das Foto zeigt ihn nach seiner Befreiung durch die Truppen der Alliierten aus dem KZ Dachau im Jahr 1945.
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18 Überlebende der jugoslawisch-muslimischen Häftlinge kurz nach der Befreiung aus dem Konzentrationslager Dachau, fotografiert auf dem Lagergelände zwischen den Baracken im Mai 1945.
Für die Zeit vor Beginn des 20. Jahrhunderts kann nur vereinzelt muslimisches Leben in Deutschland nachgewiesen werden. Die Zahl der Muslim*innen, die kriegsbedingt nach Deutschland kamen, stieg seit Beginn des 20. Jahrhunderts zunehmend an. In der Zwischenkriegszeit sorgte dann auch die Zuwanderung muslimischer Student*innen und Händler*innen dafür, das kleine islamische Gemeinden in Deutschland entstanden. Anhand von Einzelbiografien oder von Archivbeständen zu zeitweiligen, oft kriegsbedingten aber auch zu zivilen Aufenthalten muslimischer Studierender, Gefangener, Reisender, Diplomaten oder Heeresangehöriger lässt sich vielfältiges muslimisches Leben in Deutschland aus dieser Zeit nachzeichnen.
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Muslime unterschiedlicher Herkunft gründeten überwiegend in Berlin zu Beginn des 20. Jahrhunderts Vereinigungen zur gemeinschaftlichen Ausübung islamischer Religion und zur Unterstützung von in Deutschland lebenden Muslim_innen. Auch wenn der größte Teil dieser islamischen Organisationen spätestens in Folge der späteren Teilung Deutschlands verschwindet, verweist diese Übersicht zu Vereinsgründungen auf Ausschnitte eines damals regen muslimischen Lebens in vielerlei Bereichen.
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Porträts verschiedener Muslim/innen in Deutschland aus den 1920er und 1930er Jahren.
Abd-al-ʿAzīz Šāwīš, Shakib Arslan, Saffiah Irmah Gohl, Leopold Weiß alias Muhamad Assad, Fauzi al Quawuqi, Frau Föhlich, Muhammad Fared, Ali Bas Hamba (v. l. n. r.)
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Marokkanische Artistentruppe im damals renommierten Hamburger Zirkus Busch
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Türkische Jugendliche, die in Berlin 1917 im Rahmen eines deutsch-türkischen Austauschs eine Handwerkslehre antreten, im Rahmen eines deutsch-türkischen Austauschs.
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Porträt des in Berlin lebenden damaligen Bestsellerautors Essad Bey, der ursprünglich Lev Nussimbaum hieß und 1921 vom Judentum zum Islam konvertierte. Er war unter anderem Journalist und hat für verschiedene Zeitungen Ende der 1920er-Jahre geschrieben.
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Der aus dem nordindischen Aligarh stammende muslimische Chemiker Khwaja Hamied im Chemielabor der Berliner Universität, gemeinsam mit einem Kollegen. Das Foto ist circa 1925 entstanden
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Bildnachweis
01 „Harun al-Raschid empfängt eine Delegation Karls des Großen“ Julius Köckert, Bildquelle: Wikimedia (Public Domain)
02 Reproduktion „Tartarischen Creditif“, Bildquelle: GStA PK, I. HA Rep. XI 271a, Tartarei, fasc. 7, Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz
03 Mschatta Fassade, Museum für Islamische Kunst, Foto: moinundsalam.de
04 Amtsbesuch Kaiser Wilhelm II in Konstantinopel, Foto: Fotograf unbekannt, Bundesarchiv
05 „Reiseberichte aus Persien“, Adam Olearius, Bildquelle: Wikimedia (Public Domain)
06 Gruppenbild, unbekannte Personen, Foto: Abdullah Mirza Quajar, Wikimedia (Public Domain)
07 Mehmed Ali Pascha, Foto: Fotograf unbekannt, The History Collection / Alamy Stock Photo
08 Muhammad Iqbal, Fotos: Fotograf unbekannt, Iqbal Academy Pakistan
09 Muhammad Iqbal, Fotos: Fotograf unbekannt, Iqbal Academy Pakistan
10 Gedenkstele für Muhammad Iqbal, Foto: moinundsalam.de
12 Bischofskasel, Burg Dankwarderode, Foto: moinundsalam.de
13 Visier, Kunsthistorisches Museum Wien, Foto: Helena Lea Manhartsberger für moinundsalam.de
14 Schlosspark Schwetzingen, Foto: Fotograf unbekannt, United Archives GmbH / Alamy Stock Foto
15 Diwan, Bildquelle: Goethe-Museum Düsseldorf, Anton-und-Katharina-Kippenberg-Stiftung. Aus dem Besitz Sulpiz Boisserées
16 Schwimmende Moschee, Foto: Willy Pragher, Bildquelle: Landesarchiv Baden-Wuerttemberg Staatsarchiv Freiburg
17 Otto Witte, Foto: Fotograf unbekannt, Nationaal Archief / Collectie Spaarnestad
18 Bosniak-Lanzenreiter, Bildquelle: Privatarchiv Dr. Stephan Theilig
19 Friedhof Columbiadamm, Foto: moinundsalam.de
20 Max Freiherr von Oppenheim, Foto: Wikimedia (Public Domain)
21 SS-Soldaten, Foto: Mielke, Bundesarchiv
22 Amin_al_Husseini, Foto: ullstein bild – Laux
23 SS-Soldaten, Gebet, Foto: Mielke, Bundesarchiv
24 „Türkenfahne“, Foto: moinundsalam.de
25 Deutsches Eck, Foto: bpk / Kunstbibliothek, SMB, Photothek Willy Römer / Willy Römer
26 Hauptwache Frankfurt, Foto: Institut für Stadtgeschichte Frankfurt
27 Reichstag, Foto: Yevgeny Khaldei, Wikimedia (Public Domain)
29 Halbmondlager, Frobenius Institut
30 Halbmondlager, Frobenius Institut
31 Halbmondlager, Frobenius Institut
32 Gefangenen-Porträts, Frobenius Institut
33 Halbmondlager, Frobenius Institut
34 Hammet & Hassan, Foto: Historisches Museum Hannover
35 Fatima, Wir bedanken uns für die freundliche Unterstützung durch das Zentrum für Islamische Theologie (ZIT) der WWU Münster
36 Nerin Gun, Foto: Archiv der KZ-Gedenkstätte Dachau, DaA F 2132, 02963
37 KZ Häftlinge: Foto: Archiv der KZ-Gedenkstätte Dachau, DaA F 4260, 40521
38 Sonntagsschule, Foto: Landesarchiv Berlin, D Rep. 920-16 (Fotos) Ahmadiyya Anjuman Lahore (AAL) Moschee Nr. 23-1 / Fotograf: k. A..
39 Aussenansicht Wilmersdorfer Moschee, Wir bedanken uns für die freundliche Unterstützung durch das Zentrum für Islamische Theologie (ZIT) der WWU Münster
40 Prinzen von Bophal, Foto: Landesarchiv Berlin, D Rep. 920-16 (Fotos) Ahmadiyya Anjuman Lahore (AAL) Moschee Nr. 23-1 / Fotograf: k. A..
41 Wilmersdorfer Moschee, Foto: moinundsalam.de
42 Dr. S. Muhammad Abdullah, Foto: Bundesarchiv
43 Deutsch-Muslimischen-Gesellschaft, Wir bedanken uns für die freundliche Unterstützung durch das Zentrum für Islamische Theologie (ZIT) der WWU Münster
44 Imam Abdullah und Freunde, Foto: Landesarchiv Berlin, D Rep. 920-16 (Fotos) Ahmadiyya Anjuman Lahore (AAL) Moschee Nr. 23-1 / Fotograf: k. A..
45 F. Hiqret Beyer und Fatima Ulbrich, Foto: Landesarchiv Berlin, D Rep. 920-16 (Fotos) Ahmadiyya Anjuman Lahore (AAL) Moschee Nr. 23-1 / Fotograf: k. A..
46 Vereine, Abbildung: moinundsalam.de
47 Porträts, Wir bedanken uns für die freundliche Unterstützung durch das Zentrum für Islamische Theologie (ZIT) der WWU Münster
48 Marokkanische Artistentruppe, Foto: Wikimedia (Public Domain)
49 Türkische Jugendliche, Wir bedanken uns für die freundliche Unterstützung durch das Zentrum für Islamische Theologie (ZIT) der WWU Münster
50 Essad Bey/Lev Nussimbaum Foto: Privatarchiv Dr. Gerdien Jonker
51 Khwaja Hamied mit Kollegen, Foto: Landesarchiv Berlin, D Rep. 920-16 (Fotos) Ahmadiyya Anjuman Lahore (AAL) Moschee Nr. 23-1 / Fotograf: k. A..
52 Gemälde, Schlacht um Wien, anonymer Maler, Bildquelle: Wikimedia (Public Domain)
53 Gemälde „Bataille de Poitiers“ von Charles de Streuben, Bildquelle: Painters / Alamy Stock Photo
54 Briefmarke, Al-Chwarizmi, Bildquelle: Juulijs/Fotolia
55 Auszug aus „Tacuinum sanitatis (in medicina)“, Bildquelle: Science History Images / Alamy Stock Photo
Danksagungen
Ohne die Forschung und die Bereitstellung von Zeitzeugnissen von Historiker*innen und Wissenschaftler*innen, insbesondere von Muhammad Salim Abdullah und Dr. Gerhard Höpp, wäre es nicht möglich gewesen, die Fotografien in diesem Kapitel zu präsentieren. Ein besonderer Dank gebührt daher der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster und dem Leibniz Zentrum Moderner Orient für die Öffnung der Bestände von Abdullah und Höpp. Dem Museum für Islamische Kunst Berlin, dem Landesmuseum Braunschweig und dem Kunsthistorischen Museum Wien möchte ich ebenso danken, da sie trotz der schwierigen Pandemie-Bedingungen das Fotografieren der Sammlungen ermöglicht haben. Vielen Dank auch an Wolf Ahmed Aries und Firouz Vladi für ihre Unterstützung bei der Suche nach historischen Spuren von „Beutetürk*innen“ in Hannover und an Prof. Dr. J.C. Bürgel für die Lyrik-Empfehlungen zu Muhammad Iqbal.
Dr. Heike Liebau ist dafür zu danken, dass sie ihre Expertise über das sogenannte Halbmondlager mit uns geteilt hat und an Dr. Gerdien Jonker richte ich einen besonderen Dank für ihre unermüdliche Unterstützung bei der Suche nach Fotografien, dem Zusammenstellen von Bildbeschreibungen, für das Interview und dem Bereitstellen ihrer persönlichen Fotografien. Danken möchte ich gerne auch dem Freundeskreis Islamische Kunst und Kultur e.V., Prof. Dr. Bekim Agai und Thorsten Schmidt für deren Unterstützung.
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